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“Kriegsmüde – das ist das dümmste von allen Worten”– Karl Kraus und der Erste Weltkrieg

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Karl Kraus - Schriftsteller.jpg
Karl Kraus. Über Wikipedia.

Zahlreiche namhafte österreichische Schriftsteller und Publizisten, Maler, Bildhauer und andere KünstlerInnenwaren waren im Ersten Weltkrieg für das Kriegspressequartiers (KPQ) tätig. Durch positive Zeitungsartikel, Wochenschau-Berichte und Kampagnen sollte das Volk für den Krieg begeistert und von dessen Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit überzeugt werden. Erfolge der eigenen Truppen galt es zu bejubeln, Verluste zu verschleiern.

Als einer von wenigen Intellektuellen verurteilte der Publizist Karl Kraus den Krieg von Anfang an. Mehrere Ausgaben von „Die Fackel“ wurden beschlagnahmt, viele zensuriert. Dabei tat Kraus oft nichts anderes als aus Zeitungsberichten zu zitieren oder Beobachtungen zu dokumentieren.

Menschen von 2014

Karl Kraus wurde 1874 in Jičín, Nordböhmen, in eine Unternehmerfamilie geboren; wenig
später zog man nach Wien. Mit 17 Jahren veröffentlichte er erste Artikel, mit 25 Jahren gab er bereits „Die Fackel“ heraus. Kraus ist einer von 15 ProtagonistInnen, deren Kriegserlebnisse und Schicksale den Besucherinnen und Besuchern als Identifikationsfiguren auf ihrem Rundgang durch die Ausstellung “JUBEL&ELEND. Leben mit dem Großen Krieg 1914-1918″ auf der Schallaburg begleiten.

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Zitat Karl Kraus

15 Personen sprechen hierbei für Millionen. Durch ihre Aufzeichnungen bekommen „die Opfer“ ein Gesicht. Sie stammen aus Österreich-Ungarn, Deutschland, Italien, Frankreich, England, Russland, den U.S.A. und Australien, stehen auf der einen oder auf der anderen Seite. Dennoch weisen ihre Notizen viele Übereinstimmungen auf – für Unterschiede sorgen indes Bildungsniveau, Alter und gesellschaftlicher Rang. Drei von ihnen sind Journalisten: Egon Erwin Kisch macht den Krieg als Offizier aktiv mit, John Reed bereist Fronten, von denen sonst kaum berichtet wird; und Karl Kraus wählt die Satire, um das politische System und die Rolle der Medien im Krieg scharf zu kritisieren.

“Der erste öffentliche Auftritt von Karl Kraus nach Beginn des Ersten Weltkrieges, seine Lesung im Wiener Konzerthaus am 19. November 1914, begann mit der furiosen Rede „In dieser großen Zeit“, in der Kraus zum ersten – und keinesfalls zum letzten – Mal seiner Wut über all jene Ausdruck verlieh, denen „der Anblick unnennbaren Grauens nicht die Zunge gelähmt, sondern flott gemacht hat“ (1). Darin heißt es zur Unterhaltungsbranche etwa: „Und Gold für Eisen fiel vom Altar in die Operette, der Bombenwurf war ein couplet, und 15.000 Gefangene gerieten in eine Extraausgabe, die eine Soubrette vorlas, damit ein Librettist gerufen werde.“ (2) Die Wirklichkeit werde, so Kraus, zu einem Spektakel, zu einer Einnahmequelle für Unterhaltungskünstler.” (Ausschnitt aus dem Artikel „Der Bombenwurf war ein Couplet. Zur Wiener Unterhaltungskultur im Krieg” von Eva Krivanec, Katalog zur Ausstellung S. 316-321)

Auch nach dem Ersten Weltkrieg blieb Kraus ein kritischer Geist, der sich politisch nicht vereinnahmen ließ – und früh schon die Bedrohung durch den Nationalsozialismus vorhersah. Er starb 1936 in Wien.

Tipp: Die letzten Tage der Menschheit bei den Salzburger Festspielen

Ab 29. Juli 2014 ist das Stück “Die letzten Tage der Menschheit” bei den Salzburger Festspielen zu sehen.

Als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg schrieb Kraus sein Monumentalwerk „Die letzten Tage der Menschheit“. Aufgrund der Zensur konnte das Werk jedoch erst nach Kriegsende erscheinen, zunächst in Form von Sonderheften in der “Fackel”, 1922 schließlich in Buchform. Die nicht für die Bühne, sondern als Lesestück konzipierten Tragödie ist eine Monatage aus über 200 Szenen. Ein Drittel davon sind Zitate aus Zeitungen, Heeresberichten, Gerichtsurteilen und Ähnlichem. Das dramatische Personal ist riesig, die Schauplätze dauernd wechselnd, der Umfang etwa 800 Seiten, die Anforderungen an die Bühnentechnik nicht zu bewältigen und die Spieldauer von Kraus selbst mit etwa sechs Tagen angenommen. Aufführungen und Inszenierungen hat es dennoch bereits einige gegeben. Das klingt doch vielversprechend, oder?

Von 29. Juli bis 15. August zeigen die Salzburger eine Neuinszenierung unter der Regie von Georg Schmiedleitner. Von den mehr als 200 Szenen sollen dabei etwas über 50 Szenen übrig bleiben.

Übrigens: Im Gespräch mit der APA verriert Georg Schmiedleitner, dass zur Vorbereitung auf das Stück auch ein Betriebsausflug zu unserer Ausstellung “JUBEL&ELEND. Leben mit dem Großen Krieg 1914-1918″ auf der Schallaburg gemacht wurde.

Wir sind gespannt!

> Weitere Infos auf: www.salzburgfestival/schauspiel
> Erste Fotos auf: www.facebook.com/salzburg.festival


QUELLEN (ZITIERTER Katalogbeitrag):

(1) Eva Krivanec zitiert Karl Kraus, Der Ernst der Zeit und die Satire der Vorzeit, in: Die
Fackel 405/16 (Februar 1915), 14–20, hier 14.
(2) Eva Krivanec zitiert Karl Kraus, In dieser großen Zeit, in: Die Fackel 404/16 (Dezember
1914), 1–19, hier 2.


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